Vier grundverschiedene Arten des Menschseins hat uns Pater Bernhard Grom in seiner gereimten Faschingspredigt am Faschingssonntag 2017 vor Augen geführt.
Das Lesen lohnt besonders in der Fastenzeit, wenn uns Natur und Gewissen wieder in den Englischen Garten treiben.
Inmitten des Englischen Gartens
da steht eine Bank, die mich mag.
Ich radle bei sonnigem Wetter
zu ihr und schau in den Tag.
Die Mütter mit Kinderwagen
und Ohrstöpsel ziehen vorbei.
Die Hunde, der Leine entledigt,
sie spielen und fühlen sich frei.
Am Abend traben und trippeln
beharrlich die Jogger in Hast,
als wären sie glücklich entflohen
dem Büro-Tag mit acht Stunden Knast.
Der Weg vor mir wird zum Laufsteg:
Schau nur, wie verschieden sie gehn,
welch bunte Formen des Menschseins
und Lebensstils lassen sie seh’n.
Ich beiße mir auf die Lippen
und nenne Euch einige Typen.
Typ 1: Der Strebsame
Das Kinn wippt wie ein Schiffsbug vorn,
der Blick, entschlossen wie im Zorn,
der Schweiß rinnt von der Stirn in Strömen,
ich hör’ ein Keuchen und ein Stöhnen,
ein jeder Muskel ist gestrafft:
In diesem Typ steckt Leidenschaft. (Er denkt:)
„Das doppelt’ Pensum will ich laufen,
ich lass’ mir nicht den Schneid abkaufen,
beim Marathon will spitze sein –
mich kriegt kein Muskelkater klein.
Ein hohes Ziel macht Menschen groß;
wer sich nicht schindet, ist ein Kloß.
Und wo ein Wille – da ein Weg:
Das Tempo zeigt’s, das ich hinleg’.
Was mich nicht umbringt, macht mich stark;
ich werde rasten erst im Sarg.
Es stimmt halt, was Sankt Paulus schreibt (1 Kor 9,24):
„Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt.“
Typ 2: Der Hochgerüstete oder der Allesplaner
Ein andrer imponiert mir sehr
durch sein High-Tech-Laufzubehör.
Am Kopf für dunkle Abendstunden
die Stirnlampe ist umgebunden.
Musik beschallt ihm beide Ohren
und gibt dem Rennpferd ihre Sporen.
Der Bauchgurt trägt nebst einer Tasche
in Pink den Halter für ’ne Flasche.
Den Arm umspannt ein Schrittezähler –
ein wahres Wunder ohne Fehler.
Im Angebot steht, was er kann:
– die zurückgelegte Strecke angeben,
– die täglichen Schritte zählen,
– den persönlichen Tagesschritt-Zielwert speichern,
– beim Erreichen des Zielwerts ein Tonsignal abgeben,
– den Zielfortschritt als Diagramm anzeigen,
– den Kalorienverbrauch ermitteln.
Am Handgelenk, da wird’s noch besser:
Da schwebt ein Puls- und Blutdruckmesser.
Fehlt noch ein Navi, das vermeidet
Umwege, weil es klug entscheidet:
„Nach 200 m links abbiegen, dann 500 m dem Straßenverlauf folgen.“
Der Mann denkt halt als Allesplaner:
„Ich manag(e) mich, hab’ all’s im Griff
und steu’re selbst mein Lebensschiff.
Auch meinen Körper, all mein Sein –
will ich mir formen nach Design,
entwickeln mich als Top-Produkt,
als wär’ ich in 3-D gedruckt.
Gewicht, Ernährung – strikt nach Zahl
täglich geprüft – das ist vital.
Ich folge rastlos jeder Spur,
die führt zu meiner Traumfigur. –
Nur kommen Zweifel mir, ganz böse,
wenn ich im Buch Kohelet (7,13) lese:
„Windhauch. Windhauch, Windhauch. Wer kann gerade biegen, was Gott gekrümmt hat?“
Typ 3: Der Gelassene
Da trottet sichtlich ohne Hast
vorbei ein andrer Erdengast.
Von Kopf bis Fuß – alles entspannt:
Hals, Schultern, Arme und die Hand.
„Eile mit Weile.“
Wenn ihn die Schnellen überholen,
fragt er sich: „Haben die gestohlen?“ (Er denkt)
„Es produziert der lock’re Lauf
mir Glücksgefühle stets zuhauf,
befreit das Hirn von vielem Schiefen,
von Stress und allem Depressiven.
‚Eile mit Weile.’
Auf Tempo kann ich drum verzichten
und mich nach inneren Werten richten.
Nur in der Ruhe liegt die Kraft,
der Schweinsgalopp bloß Kummer schafft.
Moderne Hektik macht uns dumm,
wir brauchen rasch Entschleunigung.
Hat Gott nicht einst die Zeit erschaffen?
Die Eile stammt vom Menschenaffen.
Wer langsam reit’, kommt grad so weit.
Die Bibel steht auf meiner Seit’ (Jesus Sirach 11,10ff.):
‚Mein Sohn, warum willst du dir so viel Mühe bereiten? Es bleibt doch keiner ungestraft, der zu hastig vordrängt. Da müht sich einer, plagt sich und hastet, doch um so mehr bleibt er zurück. Da ermattet einer und bricht unterwegs zusammen, ist arm an Kraft und reich an Schwäche.’“
Typ 4: Der Wir-Mensch
Die Szenerie bevölkert sich,
ein ganzes Team recht freundschaftlich:
sie laufen mit fröhlichen Mienen,
von Münchens Sonne beschienen.
Mit Partner, Nachbar, Gleichgesinnten
gemeinsam sie den Kurs bestimmten.
(Denn sie sagen sich)
Man muss nicht alles solo machen –
das „Wir“ kann Energie entfachen.
Das Wir-Gefühl trägt uns zum Ziel.
Das gegenseitige Begeistern
hilft wirksam uns die Trägheit meistern.
Ein selbstgewählter Gruppenzwang
besiegt so manchen, dem ist bang:
Wenn Schnee und Regen ihn erschrecken
und Unlust ihn will niederstrecken,
das „Wir“ reißt ihn vom Sofa fort.
Für Kurzweil ist’s ein sich’rer Hort:
Sich über Lust’ges unterhalten
lässt allseits Munterkeit entfalten.
Der Trainingsplausch macht auch vergessen,
die Mühe, die wir uns abpressen.
Wir Großstadt-Singles suchen gerne
beim Gruppenlauf die Rudelwärme.
Das Wir-Gefühl trägt uns zum Ziel.
Auch ist die Frag’ zu reflektieren:
Wie Langsamläufer integrieren?
Das alles zeigt: das „Wir“ erzieht,
reißt mit und stärkt Leib und Gemüt.
Die Bibel widerspricht dem nicht (Jesus Sirach 6,14):
„Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden. Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis, nichts wiegt seinen Wert auf.“
Ich komme zum Schluss:
Inmitten des Englischen Gartens
wird laufend uns vorgeführt,
welch grundverschiedene Arten
des Menschseins man ausprobiert.
Ich fahre wieder nach Hause
mit all diesen Typen im Sinn.
Für welchen soll ich mich entscheiden?
Ich glaub’, ich bleib’, wie ich bin.
P. Bernhard Grom