Im Pfarrverband eine zweite Familie gefunden

15 Jahre war Thomas Steinbeiß Ministrant und elf Jahre Jugendleiter in St. Thomas. Im Januar wurde er verabschiedet. Als Pfarrgemeinderat und neues Mitglied der Kirchenverwaltung engagiert sich der 26-Jährige aber weiter in unserem Pfarrverband. miteinander fragt nach, was ihn antreibt.

miteinander: Viele junge Leute kehren der Kirche den Rücken. Was motiviert Sie, sich in unseren Pfarrverband einzubringen?

Thomas Steinbeiß: Ich habe hier eine zweite Familie gefunden. In der Zeit bei den Ministranten und der Jugend sind viele Freundschaften entstanden. Und ich habe das Gefühl, dass ich etwas bewegen kann. Ich konnte jungen Menschen zum Beispiel einen Weg zum Glauben zeigen und ihnen auch helfen, ihren eigenen Weg zu finden. Und ich konnte meinen Weg zum Glauben verstärken und Gott spüren.

miteinander: Wie sieht Ihr Freundeskreis Ihr Engagement für die Kirche?

T. Steinbeiß: Ein Großteil meiner Freunde kommt aus unserem Pfarrverband und ist mit der Kirche verbunden. Da ist das kein Thema. Bei anderen Freunden dagegen gibt es schon auch kritische Fragen: Warum machst du das? Wie kannst du die Kirche so positiv vertreten? Ich gehe in solche Diskussionen mit Fakten hinein, hinter denen ich stehe. Aber auch mit Erfahrungen, die ich machen durfte und durch die ich Kraft schöpfe. Ich vertrete nicht alles, was die Kirche sagt. Aber das, wovon ich überzeugt bin, vertrete ich auch gegenüber anderen. Das hilft meistens im Gespräch.

miteinander: Sie sind seit 2018 Jugendvertreter im Pfarrgemeinderat und nun auch in der Kirchenverwaltung. Wie empfinden Sie die Arbeit in diesen Gremien? Die Mitglieder sind zum Teil deutlich älter als Sie.

T. Steinbeiß: Bei der PGR/KV-Klausur im Januar hatten wir einen Altersdurchschnitt von 55 Jahren. Am Anfang war ich eher der stille Zuhörer – auch von mir aus, denn es ist etwas anderes als das Gewohnte von der Jugendarbeit, wenn man mit 19 Jahren in ein solches Gremium nachberufen wird und nicht weiß, was von einem erwartet wird. Bei vielem will man sich auch nicht einmischen, denn man ist ja der Jugendvertreter und hat darüber keine Ahnung, um was es geht. Inzwischen bin ich von der Gemeinde gewählt und bin für alle da, und ich habe Selbstvertrauen dazugewonnen, dass auch meine Meinung wichtig ist. Daher hat sich das geändert. Ich äußere meine Meinung und fühle mich ernst genommen und gehört.

miteinander: Was möchten Sie bewegen?

T. Steinbeiß: Ich möchte ein Sprachrohr für die Jugend sein, damit diese nicht vergessen wird, denn in den Gremien geht es schnell ums große Ganze. Aber die Jugend gehört dazu. Unsere Jugend arbeitet gut selbstständig. Aber das muss bekannt sein, damit es respektiert und anerkannt wird. Häufig wird einfach erwartet, dass die Jugend da ist und mithilft. Es wird nicht immer gefragt, ob die Jugend das auch möchte. Das bisher Wichtigste, bei dem ich mitentscheiden durfte, war die Neustrukturierung der Gottesdienstordnung. 

miteinander: Wie kam es zu Ihrer Kandidatur für die Kirchenverwaltung?

T. Steinbeiß: Es fing damit an, dass zwei Vertreter des Pfarrgemeinderats für den Wahlausschuss gesucht wurden. Ich wurde angesprochen und habe zugesagt. Mit neuen Aufgaben wächst man. Im Wahlausschuss wurde ich dann zum Vorsitzenden gewählt. Als noch Kandidaten für die Liste fehlten, habe ich mich gefragt, ob ich nicht selbst kandidieren solle. Parallel dazu fragten mich mehrere Leute, ob ich nicht kandidieren wolle. Daraufhin habe ich mit Pfarrer Huber gesprochen und mich mit meinen Eltern und ein paar Jugendlichen beraten. Ich habe nur positive Resonanz bekommen und mich dann aufstellen lassen. Noch wirkt alles sehr theoretisch, aber ich habe Lust darauf, mich in dieses Gremium einzubringen. Auch vorher habe ich schon mit Vertretern der Verwaltung über das Geld für die Jugend diskutiert. Jetzt darf ich über die Vergabe von Geldern mitentscheiden.

miteinander: Zwei Gremien – das ist ganz schön viel auf einmal.

T. Steinbeiß: Ja. Zumal ich zum Zeitpunkt der Wahl noch Oberministrant und Jugendleiter war und die Jugend für mich immer an erster Stelle steht. Eine der wichtigsten Fragen war daher: Schaffe ich es, gleichzeitig produktiv in beiden Gremien mitzuarbeiten? Und die Frage habe ich für mich mit Ja beantwortet. Und es war klar: Ich wurde in den Pfarrgemeinderat gewählt. Die Gemeinde möchte, dass ich dort ihre Stimme bin. Daher werde ich auch weiterhin meine Stimme dort einbringen.       

miteinander: In der Kirchenverwaltung sind Sie für die Inventarisierung zuständig. Das ist nicht unbedingt ein Jugendthema.

T. Steinbeiß: Aber es ist ein Thema, das mich persönlich beschäftigt, denn ich kann gut mit Listen arbeiten, und es macht mir Spaß. Ich plane gern voraus und habe mir auch schon Gedanken darüber gemacht, wie ich diese Aufgabe angehen kann.

miteinander: Ihr Engagement in der Pfarrei haben Sie als Ministrant begonnen. Wie war das damals?

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T. Steinbeiß: Ich bin 2009, ein Jahr nach der Erstkommunion, Messdiener geworden. Bis dahin war das erst nach der Firmung möglich. Gott nah zu sein und Pfarrer und Gemeinde zu unterstützen, das macht diesen Dienst für mich aus. Irgendwann, so 2012, gab’s natürlich auch eine Zeit, in der die Lust zu ministrieren nicht mehr so da war. Aber unsere Eltern waren dahinterher, dass meine Schwester und ich jeden Sonntag in die Kirche gingen. Und so sind wir in dieser Zeit eben ohne Wissen unserer Eltern spazieren gegangen. Aber die Aktionen für die Ministranten haben mir immer Spaß gemacht. Irgendwann habe ich auch wieder zur Freude am Ministrieren zurückgefunden. Ich glaube, es hängt viel mit dem Gefühl von Heimat und Familie zusammen, dass ich so lange dabeigeblieben bin. Manchmal hat meine Mutter gemeint, ich sei häufiger in St. Thomas als daheim.

miteinander: Was hat sich seit 2009 verändert?

T. Steinbeiß: Wir müssen heute darum kämpfen, dass die Ministranten einmal im Monat da sind. Das Selbstverständnis, jeden Sonntag in der Kirche zu sein und freiwillig den Dienst am Altar zu leisten, ist verschwunden. Vor allem bei Kindern, wo die Eltern nicht auch mit in die Kirche gehen.

miteinander: Was waren die Höhepunkte Ihrer Ministrantenzeit?

T. Steinbeiß: Ich durfte in einigen Kirchen ministrieren, in denen man selten so nah an den Altar herankommt: in den Domen der Erzdiözese oder in Altötting zum Beispiel. Und bei unseren beiden Altarweihen. Ein ganz großes Highlight war der Dienst im Petersdom bei der Internationalen Ministrantenwallfahrt letztes Jahr. Ich hatte Verantwortung für die Gruppe und war der einzige Ministrant aus unserem Pfarrverband, der in die Sakristei konnte. Und es gab ein paar aufregende Erlebnisse: Die Ministranten, die die Koffer mit den Gewändern in den Petersdom bringen sollten, sind mehrmals von der Security kontrolliert worden, obwohl die Koffer schon vorab untersucht worden waren. Nach dem Abschlussgottesdienst wurde ich von einer Militärdame mit einer Waffe bedroht, als ich zu meiner Gruppe in die Basilika Sankt Paul vor den Mauern zurückwollte. Die hatte ich verlassen, um mit den Leuten, die für die Busse zuständig waren, Verzögerungen in unserem Abfahrtsplan zu regeln. Zum Glück hat sich alles mit Italienisch sprechenden Leuten klären lassen. Auch sonst gab es viele Highlights in den 15 Jahren: Fahrten mit den Ministranten und lange Abende mit offenen und guten Gesprächen sowie Spaziergänge. Man wächst zusammen mit den Leuten und unterhält sich viel – nicht nur über den Glauben.

miteinander: Der Glaube verliert bei vielen Jugendlichen an Bedeutung. Warum?

T. Steinbeiß: Viel passiert daheim im Elternhaus. Wie redet man dort über den Glauben? Und wie lebt man ihn? Bei den Ministranten, die regelmäßig kommen, sind oft auch die Eltern da und in der Pfarrei aktiv. Und es spielt eine Rolle, ob und wie man Glaube erlebt hat, ob man erfahren hat, dass da jemand ist, dem man sich anvertrauen kann, auch wenn er nicht physisch neben einem steht. Mir fällt es häufig schwer, über meinen Glauben zu reden, weil ich niemand bin, der sein Innerstes überall rauskehrt. Aber es ist trotzdem gut, ab und zu darüber zu reden.

miteinander: Wie kann es gelingen, jungen Menschen eine Heimat in der Kirche zu geben?

T. Steinbeiß: Durch Freundschaften und indem man für sie da ist. Es kommt darauf an, ihnen eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen, ihnen bei der Suche nach dem richtigen Weg zu helfen und ihnen nicht irgendetwas aufzudrängen. In einer vertrauensvollen Umgebung kommen die Jugendlichen oft von selbst auf einen zu, wenn sie etwas brauchen oder reden möchten.

miteinander: Wie sehen Sie die Kirche von heute?

T. Steinbeiß: Positiv finde ich, dass jeder willkommen ist, egal, wie er ist, egal, was er sagt, was er denkt, wen er liebt. Man darf so vor Gott treten, wie man möchte. Aber die Kirche muss auch mit der Zeit gehen. Es herrscht ein enormer Priestermangel. Und es gibt Frauen, die den priesterlichen Dienst am Altar leisten wollen. Warum sollten sie dieses Amt dann nicht wahrnehmen dürfen? Jede Frau sollte auch die Möglichkeit haben, in einer verantwortungsvollen und informierten Weise über ihre Lebenssituation und die der ungeborenen Kinder nachzudenken. Das sind zwei der Hauptpunkte, bei denen ich sage, das sehe ich anders.

miteinander: Was müsste sich an der Kirche ändern? Weist der Synodale Weg in die richtige Richtung?

T. Steinbeiß: Der Synodale Weg ist vor zwei Jahren offiziell beendet worden. Und was hat sich seitdem verändert? Gefühlt nichts. Man hat vielleicht manche Leute zum Nachdenken gebracht, aber es hat nicht zum Handeln geführt. In der katholischen Kirche leben wir in einer demokratischen Monarchie. Der Papst wird zwar gewählt, aber er ist ein Monarch. Die Kardinäle, die den künftigen Papst wählen, wählt dieser selbst aus. Und er entscheidet, wie es mit der Kirche weitergeht. Es kommt also immer auf die jeweilige Führung an. Ich finde, es war 2013 von Papst Benedikt XVI. der richtige Schritt zu sagen: Ich habe nicht mehr die Kraft, meinen Dienst zu leisten. Und bevor ich falsche Entscheidungen treffe, trete ich lieber zurück und überlasse das Amt einem, der es besser ausfüllen kann.

miteinander: Das Heilige Jahr 2025 ist das erste, das Sie bewusst miterleben. Spielt es für Ihr Glaubensleben eine Rolle?

T. Steinbeiß: Nein. Ich habe mitbekommen, dass es stattfindet und dass in Rom dafür alles umgebaut und modernisiert wird. Für mich persönlich hat sich durch die Öffnung der Heiligen Pforte aber nichts geändert.

miteinander: Herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Andrea Stengel.